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Supercomputer Top 500:
Kometenhafter Windows-Aufstieg

Gastkommentar, Linux-Magazin 9/2006

Ungekürzte Originalfassung des Gastkommentars "Zwei Gespenster gehen um"


Weitere Kommentare, Reden, Interviews

Seit Ende Juni 2006 ist sie nun raus, die neue TOP500-Liste der 500 weltschnellsten Computer. Die spektakulärste Entwicklung vorweg: Beim Anteil der vertretenen Systeme hat Windows in den letzten sechs Monaten um satte hundert Prozent zugelegt, während Linux an Boden verlor. Auch beim Ranking konnte das beste Windows-System 180 Plätze gewinnen, wohingegen Linux stagnierte.

Rechtzeitig im Vorfeld der jüngsten ISC (International Supercomputing Conference), auf der zweimal jährlich die TOP500-Liste vorgestellt wird, hatte Microsoft schon Großes angekündigt: Der Windows Compute Cluster Server (CCS) 2003 habe nun die "Release to Manufacturing" (RTM) Phase erreicht. Die Medien druckten's brav, denn schließlich hatte CCS Product Manager John Borozan schon im April der Linux-Welt den Konkurrenzkampf angesagt .

Magie der Zahlen

Ein Blick auf die nackten Zahlen der beiden letzten TOP500-Listen zeigt überdeutlich, wo's lang geht: Während Linux im November noch 74.2% der Plätze unter den TOP500 belegte, und sich nun mit 73.4% bescheiden muss, nahm der Windows-Anteil von 0.2% (ein System im November 2005) auf 0.4% (zwei Systeme im Juni 2006) zu. Auch Neider werden hier eine hundertprozentige Steigerung des Windows-Anteils einräumen müssen. Geradezu erdrutschartig geriet der Platzierungsgewinn: Das beste Windows-System schoss um volle 180 Plätze nach vorn, auf nunmehr Platz 130. Die Linux-Platzierung hingegen stagnierte, denn das beste Linux-System lag in beiden Listen ohnehin jeweils auf Platz 1, wenn man CNK/Linux mitzählt.

Offene Standards ausbremsen

Glücklicherweise geben mitunter auch Marktforscher ihr Bestes, wenn es darum geht, Politiker vor dem Open-Source-Irrweg zu bewahren. Zu einer Veranstaltung im Berliner Abgeordnetenhaus zum Thema "Open-Source-Migration" war unter anderem ein Vertreter eines eigentlich renommierten Marktforschungsinstituts eingeladen. Der berichtete zunächst das Offensichtliche, was die Marktanteile und das Umfeld von Linux und Windows betraf. Kaum geneigt, sich seine schöne Geschichte durch Tatsachen verderben zu lassen, verkündete er darauf Open-Source-Kostennachteile zuhauf und fügte mit wissender Miene hinzu, es gebe zudem unter Linux ohnehin "keine tragenden Anwendungen".

Windows: Chronisch abwesend

Vielleicht ist es tatsächlich so, dass aus Analystensicht all jene Anwendungen, die im Aerospace-Bereich, bei Kernwaffenforschern oder bei der NASA auf Supercomputern laufen, weniger kritisch, weniger wichtig oder weniger "tragend" sein mögen als Word, Excel und Powerpoint auf dem Büro-PC. Damit wäre schließlich auch elegant die Frage umschifft, warum Windows gerade überall dort durch Abwesenheit glänzt, wo es wirklich drauf ankommt, und wo ohne Performanz, Zuverlässigkeit und optimale Hardwarenutzung wirklich gar nichts geht.

Die höhere Erkenntnis verteidigend und sichtlich wissend, dass nur eigene Statistiken gute Statistiken sind, schob der Marktforscher schließlich die ungemein fachkundige Frage nach, ob man denn Mainframes in der TOP500-Liste überhaupt berücksichtigt hätte. -- Welche Wirkung das Spektakel unter'm Strich auf die Abgeordneten in dieser Runde hatte, muss offen bleiben, doch fragende Blicke gab es zuhauf.

Seherische Fähigkeit

Microsoft's Steve Ballmer wusste schon vor fünf Jahren, dass Linux lausig ist. Gleichzeitig hatte er konzediert, dass dies in manchen Märkten aber wohl ausreiche , und High Performance Computing scheint so ein Fall zu sein.

Aber sehen wir's sportlich: Liebes Windows, nach sieben TOP500-Jahren kuschelig eng an der Nulllinie, herzlich willkommen im Club!


Eitel Dignatz ist Strategieberater und Inhaber der Münchner Unternehmensberatung Dignatz Consulting.

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