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Kurz & bündig
Der Betrieb eines Web-Servers für eigene Zwecke war zunächst Anlaß
genug für das Unix-orientierte Beraterteam "Rent-a-Guru" in
Darmstadt, ein ausgefeiltes Sicherheitskonzept zu entwickeln.
Fernziel: Vermarktung einer Sicherheitsdienstleistung auch im
Internet-Umfeld an Dritte, zum Beispiel für Electronic Banking.
Generell sind Hochverfügbarkeits-Anwendungen auf großen Unix-
Servern anvisiert. Auch für typische Meßwerterfassungen mit Sensoren
ist das Verfahren geeignet. Eine Zentrale kann damit beliebig viele
Meßstellen abfragen und die Werte auch miteinander verknüpfen.
Extrem hohe Verfügbarkeit war gefordert
Frühwarnsystem meldet Alarm und Telemetriedaten per Handy
Computerwoche 23.02.1996
Von Martin Weitzel
Ein spezielles Alarmsystem nutzt das
DV-Beraterteam "Rent-a-Guru", Darmstadt, um
Zugangssicherheit und Verfügbarkeit der eingesetzten Server zu
überwachen. Eine entscheidende Rolle spielt der Short Message Service
(SMS) des D2-Mobilfunknetzes zusammen mit spezieller Software.
"Rent-a-Guru" hat sich seit den frühen achtziger Jahren im
Unix-Umfeld bewegt, sicherheitssensitive DV-Anwendungen sind seither
eine bekannte Größe. Ziel des Zusammenschlusses von Freiberuflern
aus dem Rhein-Main-Gebiet war der Austausch von Know-how und Personal
im Trainings- und Projektbereich.
Die im folgenden zu beschreibende
Anwendung war durch das neueste Betätigungsfeld motiviert: den
Betrieb eines Web-Servers für eigene Zwecke und das Angebot
entsprechender Dienstleistungen für Dritte. Daß Rent-a-Guru hier
zugleich Anwender und Provider ist, rückte die Zuverlässigkeit der
eingesetzten Software und des verwendeten Verfahrens in den
Mittelpunkt der Überlegungen.
Verbindungsausfall kann ein Meldekriterium sein
Zuverlässigkeit muss auch dann gewaehrleistet sein, wenn
herkömmliche Meldewege, wie zum Beispiel Mail-Verbindungen, ganz oder
teilweise versagen, denn der Ausfall von Kommunikationsverbindungen
kann ja gerade das Meldekriterium sein.
Viel Personal will man nicht
brauchen. Der Servicetechniker, der rund um die Uhr neben der Konsole
des Servers sitzt und auf den hoffentlich nie eintretenden
Störungsfall wartet, ist sicher nicht die geeignete Lösung.
Bei näherem Hinsehen zeigte sich, daß die vermeintlich vorhandenen
Lösungen meist darin bestanden, daß anstelle eines D-Netz-Mobiltelefons
ein Pager (Cityruf oder ähnliches) verwendet
wurde. Dieser Benachrichtigungsweg hat jedoch den gravierenden
Nachteil, daß die Nachricht leicht verlorengehen oder verstümmelt
werden kann - für ein Alarm- und Telemetriesystem schlichtweg
inakzeptabel.
In einigen Fällen konnte der Verkäufer eine
funktionierende D-Netz-Software für Windows vorweisen, der es jedoch
an Offenheit mangelte. Die Unterstützung von Unix- Plattformen war in
einigen Fällen wohl bestenfalls angedacht, und von der
Integrationsfähigkeit in ein Warnsystem war man in jedem Fall weit
entfernt.
Es genügt keineswegs, ein geeignetes Softwarepaket zu
finden, denn die eigentliche Arbeit steckt in der Konzeption, und die
Software ist lediglich eines von mehreren Mitteln zum Zweck. Die
geplante Dienstleistung ist für Betreiber von großen Rechnersystemen
gedacht, die fast ständig verfügbar sein müssen. Den Zuschlag bekam
das Münchener Unternehmen "Dignatz Consulting", das nicht nur die
entsprechende Software für Unix- Plattformen anbot.
Daß die
verwendete Software "SMS-Alert" nur Werkzeugcharakter haben kann,
bestätigt selbst deren Hersteller: "Das ist keine
Plug-and-play-Anwendung. Die eigentliche Leistung steckt in dem
Konzept, das für jede Anwendung kundenspezifisch erstellt werden
muß. Und genau damit sind die PC-Fritzen überfordert, selbst wenn
sie ihre Software erfolgreich von Windows auf Unix portiert haben. Von
Sicherheit und von Hochverfügbarkeits-Anwendungen auf wirklich
großen Maschinen verstehen die soviel wie Eskimos von der großen
Hitze."
Die meisten Systembetreiber schaffen es nicht aus eigener
Kraft, Konzepte zu entwickeln, deren Umsetzung Sicherheit oder extrem
hohe Systemverfügbarkeit garantieren soll. In der Regel ist externes
Know-how notwendig, um folgende Punkte zu klären:
- Wie hoch muß die Verfügbarkeit/Sicherheit eines Systems oder
Netzwerks wirklich sein? 100 Prozent sind unmöglich.
- Worin besteht die Verfügbarkeit/Sicherheit im einzelnen
(Kriterien)?
- Was darf die Verfügbarkeit/Sicherheit maximal kosten?
- Welche Arten von Betriebsstörungen können eintreten, bei denen
ein Systemtechniker alarmiert werden soll?
- Wie sollen die Schwellenwerte pro Ereignis eingestellt werden, bei
deren Über- oder Unterschreitung eine Alarmierung erfolgen soll?
- Welcher Personenkreis soll per Handy oder auf anderen Meldewegen
informiert werden?
- Was soll der alarmierte Personenkreis bei welchem Ereignis tun, und
welche Infrastruktur ist dafür bereitzustellen?
- Soll vorgesehen werden, daß zum Beispiel ein Supervisor
mitverfolgen kann, wann seine Systemtechniker die Alarmmeldungen auf
ihren Handies erhalten?
Schwellenwerte richtig festlegen
Diese Liste ist keineswegs vollständig, kann aber einen Eindruck
davon vermitteln, daß es nicht genügt, "drauflos" zu alarmieren.
Das Rent-a-Guru-Alarmierungssystem sollte für eigene
Zwecke folgende Ereignisse, zum Teil nach Überschreitung bestimmter
Schwellenwerte, per Handy melden:
- Nichtautorisierte Systemverwalter-"login"- oder "su"-Versuche, vor allem
über Modemanschlüsse (Meldung immer);
- volle Dateisysteme (Meldung bei Überschreitung eingestellter
Grenzwerte);
- Fehler bei der automatischen Datensicherung (Meldung immer);
- Nichterreichbarkkeit von Rechnern im LAN (Meldung immer) sowie
- Spannung des Notstromakkus einer remote eingesetzten Alarmanlage
sinkt unter oder steigt über die eingestellten Schwellenwerte.
Die Lösung nennt bei Meldungen zu jedem dieser Punkte immer den Namen
und Standort des betreffenden Rechners mit. Bei nichtautorisierten
Systemverwalter-Logins (Punkt 1) wird auf das Handy-Display
übermittelt, auf welchem Rechner an welchem Ort zu welcher Zeit an
welchem Anschluß ein solcher Versuch erfolgte und ob er erfolgreich
war. Dieses Verfahren läßt sich durch einfache
Konfigurationseinträge auf beliebige Benutzer ausdehnen. Die ersten
vier Zeilen einer solchen Meldung werden auf dem Handy angezeigt. Es
kann nur vier Zeilen a 16 Zeichen gleichzeitig darstellen, doch eine
SMS-Meldung kann maximal 160 Zeichen lang sein. Wer noch mehr braucht,
kann bis zu 640 Zeichen verschicken. In diesem Fall segmentiert das
Mobilfunknetz die lange Nachricht in vier einzelne SMS-Nachrichten a
160 Zeichen.
Unautorisierte Login-Versuche gab es in der Vergangenheit - vom
Prinzip her - ausschliesslich über Modemanschlüsse. Durch das
Internet wird sich das ändern. Der Zufall wollte es, daß auch
Dignatz Consulting im vergangenen Jahr zeitweilig unter
Einbruchsversuchen zu leiden hatte und deshalb schon im eigenen
Interesse ein entsprechendes Warnsystem zur sofortigen
Benachrichtigung implementierte. Ein weiteres Problem:
"Wenn Mitarbeiter, die keine Systemverwalterfunktion haben, versuchen, sich
als Root einzuloggen, dann sollten Sie zumindest telefonisch reagieren
können. Entweder braucht der Mitarbeiter Hilfe, und wenn man Pech
hat, stehen alle Räder still, oder er versucht einen
Sicherheitsbruch."
Wann ein Dateisystem als überfüllt gelten soll (Punkt 2), läßt
sich nur empirisch ermitteln. Zum einen soll die Alarmierung erfolgen,
bevor ein bestimmtes Dateisystem tatsächlich voll ist und gar nichts
mehr geht. Nur so läßt sich vermeiden, daß Anwendungen, die auf
Plattenplatz angewiesen sind, zwangsweise beendet werden. Zum anderen
will man die Aufmerksamkeit eines Systemtechnikers aber auch nicht
dadurch strapazieren, daß ständig Meldungen auf seinem Handy
eingehen, die inhaltlich belanglos sind und keine Intervention
erfordern. Hier wird mitgeteilt, welche Partition wie voll ist.
Fehler bei der Datensicherung (Punkt 3) ergeben sich typischerweise
bei Schreibfehlern auf dem verwendeten Magnetband. Kritischer kann es
jedoch werden, wenn die Datensicherung nicht erfolgt, weil die
vorangehende Dateisystemüberprüfung auf einer Plattenpartition
Fehler festgestellt hat. In diesem Fall ist manuelles Eingreifen vor
Ort zwingend erforderlich. Dieser letztere Fall ist heute extrem
selten. Wenn er allerdings auftritt, sind die Fehler auf der
Plattenpartition gravierend.
Eine typische Telemetrieanwendung
Das System informiert über LAN-Fehlfunktionen und Rechnerabstürze
(Punkt 4), die in der vorgegebenen Umgebung jedoch ausgesprochen
selten sind. Die Kontrolle von elektrischen Spannungen
(Punkt 5) stellt eine typische Telemetrieanwendung dar, bei der eine
Messung in regelmässigen Abständen genügt. Die Intervalle müssen
allerdings so kurz sein, daß sich signifikante Wertänderungen
rechtzeitig erkennen lassen. Das sogenannte Polling-Verfahren hat den
Vorteil, daß an der entfernten Messstelle keinerlei eigene
Intelligenz etwa in Form eines Rechners oder Mikro-Controllers
notwendig ist. Dadurch lassen sich bei Bedarf mit geringsten Mitteln
zusätzliche Meßstellen einrichten, die jeweils über eine
Telefon-Modem-Verbindung abgefragt werden. Eine Zentrale kann beliebig
viele Meßstellen abfragen und bei Bedarf alle Messwerte miteinander
verknüpfen. Rent-a-Guru überwacht auf diese Weise eine Münchner
Notstromversorgung von Darmstadt aus.
Keinen eigenen Gebrauch macht Rent-a-Guru von einer Softwarefunktion,
die für einige Kunden unverzichtbar sein dürfte: Wenn eine
Alarmmeldung an das Handy eines Systemtechnikers verschickt wird, kann
beispielsweise ein Supervisor bei Bedarf feststellen, wann das Handy
des Technikers die Nachricht tatsächlich bekommen hat. Dazu wird der
Mobilfunkrechner des D2-Netzes von der SMS-Alert-Software zusätzlich
aufgefordert, auf ein weiteres Handy eine Art Zustellbericht zu
schicken. SMS-Nachrichten des Mobilfunknetzes gehen nämlich nicht
verloren, sondern werden zwischengelagert, wenn das Handy des
Empfängers nicht erreichbar ist. Die Zustellung der Nachrichten
erfolgt dann aber völlig automatisch, sobald sich das Handy wieder in
das Mobilfunknetz einbucht. Anders als bei Pagern, die reine
Empfangsgeräte sind, geschieht die Übertragung von SMS-Nachrichten
zum Handy unter Verwendung eines Kommunikationsprotokolls, so daß sie
nicht verfälscht ankommen können.
Dignatz Consulting stellte sich
schon in der ersten Version von SMS-Alert auf einen möglichen Boom
des Internet-Bankings ein: "Wer als Geldinstitut Internet-Banking
anbietet, braucht im Katastrophenfall schnelle Meldewege, die notfalls
auch quer durch die Hierarchie gehen. Und da muß sofort
nachvollziehbar sein, wer was wann bekommen hat."
Abschließend noch eine kurze Anmerkung zum Thema "Make or Buy". Die
"Gurus" vom Main hatten erwogen, die Software ausschliesslich selbst
zu erstellen. Kostenmäßig wäre das allerdings kein sehr weiser
Entschluß gewesen, und auch die unmittelbare Verfügbarkeit der
benötigten Funktionalität sprach gegen die Selbstprogrammierung.
Auch wenn demnächst die Überwachung fremder Web-Server angeboten
wird, wird daher das mittlerweile bewährte Prinzip des Meldewegs
über SMS-Nachrichten beibehalten.
Martin Weitzel ist DV-Berater in Darmstadt.
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