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SCO: Ärger mit der Berkeley-Connection

Gastkommentar, Linux-Magazin 06/2004

ungekürzte Originalfassung


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Die Universität Berkeley (UCB), so Unix-Leute in den achtziger Jahren, sei vor allem für zwei Dinge berühmt: BSD und LSD. Letzteres spielte dann in den Neunzigern eine unrühmliche Rolle, als bei den Lawrence Livermore National Labs (LLNL) ein Drogenskandal aufflog, über den man weder bei der University of California (UC), noch beim Department of Energy (DoE) besonders froh war, denn beide zeichnen gemeinsam für die Forschungsstätte verantwortlich. Die Labs gingen nun dieser Tage erneut durch die Medien -- wenngleich in einem völlig anderen Kontext.

Ob vom Größenwahn ereilt oder nicht, SCO hat um die Jahreswende 2003/2004 nun auch die Lawrence Livermore Labs ins Visier genommen und zum Erwerb von SCO-Lizenzen für die Linux-Supercomputer des LLNL aufgefordert, wie erst kürzlich bekannt wurde. Hier aber stach man wohl doch ins Wespennest, denn die Labs sind nicht irgendein Forschungsinstitut, und das DoE kümmert sich entgegen seinem Namen auch nicht um Energieerzeugung -- es sei denn, die wird bei der Detonation von Nuklearsprengsätzen frei. Und wo die "nationale Sicherheit" ins Spiel kommt, verstehen selbst humorvolle Amerikaner erfahrungsgemäß ganz schlagartig keinen Spaß mehr. Dass SCO gleichzeitig das NERSC (National Energy Research Scientific Computing Center) angegangen hat, dürfte die Situation noch zusätzlich verschärfen. Dessen ungeachtet mag man wetten, wann SCO im Überschwange eigener Hybris auch der Kernwaffenschmiede in Los Alamos (LANL) oder der NASA einen Blauen Brief schicken wird.

Dass mit der "nationalen Sicherheit" das Allerheiligste berührt wird, könnte die Sache durchaus spannend machen, doch Ungemach droht SCO womöglich sehr viel früher aus einer ganz anderen Ecke, und die liegt wiederum in Berkeley. Seit etwa 1975 wurden erhebliche Teile der Unix Codebase außerhalb von AT&T's Bell Labs entwickelt, in großem Umfang vor allem an der University of California Berkeley (UCB). Berkeley spielte nicht zuletzt deshalb eine herausragende Rolle, weil die Defense Advanced Research Projects Agency (DARPA) unter anderem die Entwicklung von IP-Netzwerkcode in BSD- (Berkeley Software Distribution) Unix massiv förderte.

Im Jahre 1992/1993 strengte AT&T/USL (Unix System Labs) einen Rechtsstreit gegen die UCB als auch gegen Berkeley Software Design, Inc. (BSDI) an, in dem die Beklagten beschuldigt wurden, rechtswidrig geistiges Eigentum von AT&T/USL benutzt zu haben. Im Zuge des Vergleichs, mit dem der Streit endete, wurden dann in der Tat auch ganze drei von etwa 18,000 Dateien aus BSD-Unix entfernt, wodurch die Klägerseite zumindest ihr Gesicht wahren konnte. Der große Rest von mehr als 99,9% des BSD-Codes war damit jedoch gleichzeitig gerichtsnotorisch "sauber" und bildet die Basis der heutigen Open-Source-BSDs.

Im Prozess hatte sich allerdings auch herausgestellt, dass der Bösewicht nicht auf der Beklagten-, sondern auf der Klägerseite zu suchen war: Das Gericht gewann die Überzeugung, dass AT&T, USL und Novell geradezu routinemäßig gegen die Auflagen der BSD-Lizenzbedingungen verstoßen und in großem Stil BSD-Copyright-Vermerke entfernt hatten. Damit hatten die Kläger auch all jenen Code als geistiges Eigentum von AT&T/USL ausgegeben, der in Wirklichkeit in Berkeley entstanden war. Aus diesem Grunde hatte die University of California während des laufenden Verfahrens mit einer Widerklage gegen AT&T und USL gedroht.

Man muss sich vor diesem Hintergrund ernsthaft fragen, ob womöglich auch ein Teil des heutigen SCO-"Eigentums" aus genau jenem Code besteht, den sich AT&T/USL auf unkoschere Weise angeeignet hatten. Das Gericht hatte seinerzeit deutlich zu erkennen gegeben, dass der eigene Beitrag von AT&T/USL/Novell zu Unixware eher klein war im Vergleich zu dem, was andere Institutionen an Unix-Entwicklung geleistet hatten. Wer damals mit Steinen aus dem Glashaus warf, hatte in Wahrheit wohl nur in homöopatischen Dosen zu Unix beigetragen -- gleichzeitig aber fremden Code als den eigenen ausgegeben -- und gehörte letzlich selbst auf die Anklagebank, wenn man die richterliche Einschätzung zuende denkt. Vor diesem Hintergrund wird man im derzeit laufenden Verfahren bewerten müssen, in welchem Umfang Unix-Quellcode denn überhaupt als "geistiges Eigentum" des jeweiligen Rechte-Inhabers gelten kann.

In den nächsten Runden des Rechtsstreits gegen IBM dürfte, zumindest laut Eric Raymond , eine nachträgliche Offenlegung der bisher weggeschlossenen Prozessakten des damaligen Streits von AT&T/USL gegen UCB/BSDI anstehen. Dabei würden die gerichtsnotorischen Diebereien von AT&T/USL erneut ans Licht kommen, und wer heute SCO-Aktien zu Spekulationszwecken hält, sollte sie wohl besser rechtzeitig vorher verkaufen.

Doch neben Unix-Code, der laut SCO's Klage angeblich durch Raubkopieren in die Linux-Codebasis gelangt sein soll, gibt es natürlich auch solchen, den SCO selbst beigesteuert hat. Seit etwa 1995 leistete man dort Beiträge zu Linux-SMP , also etwa zeitgleich mit dem Erwerb der historischen Bell Labs Codebase. Da IBM's Linux-Engagement erst fünf Jahre später begann, stellt sich somit kaum die Frage, wer denn wohl den SMP-Code in den Linux-Quellcode eingebracht hat. Raymond fackelt in seinem Urteil auch nicht lange: Wenn SCO-Chef McBride dies bei der Klageerhebung nicht gewusst habe, dann sei er inkompetent, falls doch, dann grenze SCO's Vorgehensweise an Prozessbetrug.

Gleichgültig, wie der Rechtsstreit auch ausgeht, ein Etappenziel hat SCO auf jeden Fall erreicht. Aus einer nahezu wertlosen Aktie, die lange Zeit um einen Dollar herumdümpelte, wurde ein Spekulationspapier. Es würde jeder Lebenserfahrung widersprechen, wenn dies für die beteiligten Akteure nicht vorhersehbar und nutzbar gewesen wäre. Dass McBride und Mitstreiter geschäftlich nicht unbedingt Waisenknaben sind, zeigt sich spätestens, wenn man deren Vergangenheit etwas genauer betrachtet.

Und noch einmal Berkeley: Sollte SCO wider jede Wahrscheinlichkeit obsiegen, dann gucken IT-Hersteller und Linux-Anwender noch lange nicht in die Röhre. Auf den DVDs einer typischen Linux-Distribution sind geschätzte 10% wirklich "Linux", der Rest aber andere Open Source Software. Der eigentliche Linux-Teil ließe sich problemlos ersetzen, beispielsweise durch FreeBSD, und der Anwender würde den Unterschied nicht einmal bemerken.

So lästig eine erzwungene Umstellung für die heutigen Linux-Distributoren auch wäre, so sehr hätte sie ihren Charme in Hinblick auf SCO: Wem sollte SCO dann noch seine Linux-Antidot-Lizenzen verkaufen?


Eitel Dignatz ist Strategieberater und Inhaber der Münchner Unternehmensberatung Dignatz Consulting.

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