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Microsofts Anti-Linux-Kampagne:
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Weitere Kommentare, Reden, Interviews |
Originalton, aber nicht etwa von Senator Joe Raymond McCarthy, dem republikanischen Chef-Kommunistenjäger im Amerika der Fünfziger Jahre, sondern vielmehr von Microsoft-CEO und President Steve Ballmer : Linux, so befand der, habe kommunistische Eigenschaften, und genau die kämen bei Leuten gut an. "Linux is Communism" , wie "The Register" vom Auftritt des Microsoft-Chefs auf einem Analystentreffen berichtete.
Ballmers Meinung in Ehren, doch beim Stichwort "Kapital" denkt man im Linux-Kontext weniger an Karl Marx als an Big Blue, denn deren jüngste Investition von mehr als einer Milliarde US-Dollar in Open-Source-Entwicklungszentren sind auch für Microsoft-Verhältnisse jenseits der Portokasse. Gleichzeitig galt IBM zumindest bisher nicht unbedingt als Kommunismus-verdächtig.
President Steve sieht das offenbar anders, und auch Jim Allchin, Chef von Microsofts Betriebssystem-Abteilung, stieß unlängst in dasselbe Horn: Linux sei nicht nur geeignet, Innovation auszubremsen, sondern läute auch den Untergang geistigen Eigentums ein. Open Source, so ließ er im Februar die Bloomberg News wissen, sei ein "intellectual-property destroyer", und er könne sich "für das Geschäft mit Software und generell mit geistigem Eigentum nichts schlimmeres vorstellen". Vor dieser Gefahr müsse man die US-Legislative eindringlich warnen. Er sei eben Amerikaner und glaube an die "amerikanische Methode".
Mit genau der konnten Amerikaner vor einem halben Jahrhundert reichlich Erfahrungen sammeln, als es genügte, des Kommunismus beschuldigt zu werden. McCarthys Hexenjäger machten nicht einmal vor Robert Oppenheimer halt, dem Vater der amerikanischen Atombombe.
"Unamerican activities" also, will heißen, staatsfeindliche Umtriebe durch Linux? McCarthy lässt grüßen. Eine ganz besondere Würze bekommen die Äußerungen Ballmers und Allchins dadurch, dass beide zumindest IT-mäßig einem Einparteien-System mental wohl deutlich näherstehen als einem gesunden Pluralismus.
Bei gängiger Redmonder Sichtweise stehen die Zeichen allerdings tatsächlich auf Sturm, denn die "kommunistische" Subversion ist keinesfalls neu, sondern hatte schon in der ersten Hälfte der Neunziger begonnen. Mittlerweile hat diese Unterwanderung Ausmaße angenommen, bei denen man ernstlich um die nationale Sicherheit fürchten muss, und selbst der Einsatz der Nationalgarde darf letztlich kein Tabu sein, wenn es gilt, deutlich Schlimmeres zu verhindern.
Nicht nur die Kernwaffenschmiede Los Alamos National Labs, die im Avalon-Projekt ein Beowulf-Linux-Cluster einsetzt, wurde unterwandert, sondern auch die Sandia National Labs, die ebenfalls Atomwaffen testen und ein Cplant-Cluster unter Linux nach eigenen Aussagen "für kritische Anwendungen" betreiben. Doch die eigentlich Schuldigen für diese Entwicklung sind im Grunde weniger bei den Atombomben-Konstrukteuren in den DoE-Institutionen New Mexicos zu suchen, als vielmehr auf der anderen Seite des Kontinents: im Goddard Space Flight Center, Greenbelt, Maryland. Dort nämlich, im NASA Center of Excellence in Space Data and Information Sciences (CESDIS), legte Donald Becker Anfang 1994 den Grundstein für das Linux-Cluster-Projekt namens Beowulf .
Dieses unsägliche Treiben nahm innerhalb der NASA rasch seinen Lauf und verselbständigte sich soweit, dass mittlerweile auch die US-Raumfahrt nicht mehr als sicher gelten kann, was bedenkliche Einflüsse dieser Art betrifft. Genauso wie Goddard blieb auch NASA Ames in Kalifornien nicht verschont, wo die Robotics-Spezialisten der Intelligent Machinery Group (IMG) im Jahre 1997 der Versuchung erlagen, das Mars-Fahrzeug Nomad unter anderem mit mehreren Linux-Rechnern zu bestücken. Hier muss man allerdings fairerweise einräumen, dass Windows NT nicht ganz zuhause bleiben musste, sondern auf einem Rechner ebenfalls mitdurfte.
Was eine derartige "kommunistische" Unterwanderung für das geplante Weltraum-Verteidigungssystem bedeuten könnte, bedarf keiner weiteren Ausführungen. Regelrecht grausen kann es einem zudem, wenn man bedenkt, dass selbst der amerikanische Präsident diesen "unamerikanischen" Einflüssen schutzlos ausgeliefert ist: Eine spezielle Arbeitsgruppe des Presidential Information Technology Advisory Committee (PITAC), die direkt an das Staatsoberhaupt berichtet, kennt nämlich kein anderes Ziel als ausgerechnet die Förderung des Open-Source-Software-Einsatzes auf Supercomputern . Genau dort also, wo es wirklich um's Allerheiligste geht, denn außer bei der NASA sind Supercomputer im Government-Bereich vor allem in der Kernwaffenforschung, beim Militär und bei den Geheimdiensten zu finden.
Statt PITACs Open-Source-Hype zu folgen stünde der US-Politik vielmehr eine Rückbesinnung auf amerikanische Werte gut an. Sicherlich wären aus Microsofts Sicht Förderprogramme denkbar, um den Windows-Einsatz auf Supercomputern voranzutreiben.
Möglicherweise gelänge dadurch auch zumindest eine Teilkorrektur der bedenklichen Weichenstellung, die mit dem NASA CESDIS Beowulf-Projekt ihren Lauf nahm. Wie schon geschildert, hatten sich Becker und Genossen 1994 beim Bau eines Supercomputing-Clusters für Linux entschieden, anstatt auf das damals aktuelle Windows für Workgroups 3.11 zurückzugreifen.
Immerhin findet sich mittlerweile in der Top 500 Supercomputer-Liste auch ein Windows/NT-Cluster, und zwar auf dem ehrenvollen Platz 413 (Stand 11/2000). Daß Linux zumindest "in technologischer Hinsicht keine Bedrohung", sondern eher hinten dran sei, hatte Ballmer ja schon auf der Linuxworld in einem Interview mit eWeek ventiliert, und auch die Tatsache, dass der schnellste Linux-Cluster 329 Plätze weiter vorn liegt, wird seine Sichtweise vermutlich kaum ändern. Originalton Ballmer: "Linux ist lausig. Aber in manchen Märkten reicht das ja." - Supercomputing und Server-Applikationen scheinen demnach eindeutig in diese Kategorie zu fallen.
Doch auch für Microsoft ist zum Glück nicht alles düster, denn die Redmonder konnten im Sommer 2000 einen prestigeträchtigen Erfolg bei der US-Navy verbuchen. Wie Microsoft Federal Systems wissen ließ, wird Windows 2000 an Bord der neuen Flugzeugträgerklasse CVN-77 die jeweils drei "Decision Centers" steuern. Die Systemführerschaft über dieses Projekt hat Lockheed Martin, ein Unternehmen, das spätestens seit Frühjahr 1999 auch einer breiteren Öffentlichkeit bekannt ist, seit es einen 1.23 Milliarden-Dollar-teuren Satelliten der Air Force wegen eines Software-Fehlers in den Sand setzte .
Ob die Software-Spezifikation für die CVN-77-Flugzeugträger-Klasse tatsächlich Obergrenzen für die Anzahl der täglichen Reboots vorsieht, ist nicht bekannt. Unklar ist auch, ob die neuen Schiffe womöglich doch primär für die Belieferung sogenannter "Schurkenstaaten" vorgesehen sind, denn andernfalls müssten alle Anstrengungen unternommen werden, damit sich dieses Projekt nicht zur größten einzelnen Entwaffnungsaktion der US-Navy auswächst.
Doch wie dem auch sei, es geht bei Spöttern schon jetzt das böse Gerücht um, dass Navy-Piloten auf dem Flugdeck eines womöglich noch mehr fürchten lernen als das Versagen des Startkatapults: Ctrl-Alt-Del. Nicht auszuschließen, dass der Euphemismus "friendly fire" noch um "friendly data processing" ergänzt werden muss.
Eitel Dignatz ist Strategieberater und Inhaber der Münchner Unternehmensberatung Dignatz Consulting.
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