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LiMux in München:
Sommertheater vom Feinsten

Gastkommentar, Linux-Magazin 10/2004

ungekürzte Originalfassung


Weitere Kommentare, Reden, Interviews

Die Frage, ob Softwarepatente den Pinguin aus der Stadt München vertreiben können, erregte Anfang August ganz schlagartig auf's heftigste die Gemüter. Gerade so, als seien Softwarepatente bis dato unbekannt gewesen und in einer lauen Sommernacht völlig überraschend vom weißblauen Himmel gefallen.

Thema verfehlt

Die lawinenartig hereinbrechenden Presseberichte taten sich mit der Durchdringung des Themenkreises Softwarepatente wie üblich recht schwer, und so manches Mal war es wie damals beim Schulaufsatz: flott geschrieben, nett geschildert, aber eben haarscharf am Thema vorbei. So brav die Presse auch über das "wer, wann, wo" berichtete, so sehr gingen inhaltliche Kernpunkte völlig unter -- Kriegsberichterstattung eben.

Die Beteiligten im politischen Umfeld wirkten fast durchweg wie aufgescheuchte Hühner, doch letztendlich profitierte auch hier jede Seite auf ihre eigene Art von der Sache: Linux-Gegner rieben sich die Hände, denn Teile des Projekts wurden ja tatsächlich auf Eis gelegt. Den Befürwortern hingegen bot sich ein aktueller Anlass, mit der Faust kräftig auf den Tisch zu schlagen und Forderungen in Richtung Berlin zu stellen, was die Umsetzung der Patentrichtlinie in nationales Recht betrifft. Nur Justizministerin Zypries muss wohl weniger glücklich gewesen sein, als Anlaufstelle für jene Journalisten herhalten zu müssen, die auf Dauer eben doch nicht mit netten Unverbindlichkeiten abzuspeisen waren.

Bedrohung für alle Branchen

Keine Frage, Investitionen bei der Erstellung von Software gehören zweifellos geschützt. Dieser rechtliche Schutz braucht jedoch keine Softwarepatente, denn der ist bereits durch das Urheberecht gegeben, wie sich angesichts regelmäßiger Polizeiaktionen gegen Raubkopierer mühelos feststellen lässt. Softwarepatente sind vielmehr für all jene interessant, die nicht etwa ein konkretes Programm schützen, sondern die es anderen mittels Patent verbieten wollen, per Software das gleiche Problem zu lösen.

Was im Getümmel völlig unterging, war der Umstand, dass Softwarepatente eine Bedrohung für jede Branche darstellen, gleichgültig, ob die nun Software produziert oder nicht. Die Klage des Buchversenders Amazon gegen den Konkurrenten Barnes & Nobles spricht hier geradezu Bände, denn B&N ist einfach nur Buchhändler und hat mit Softwareerstellung nun wirklich nichts am Hut. So gesehen ist das Patentproblem für Linux und Open Source durchaus real, stellt sich aber gleichzeitig auch jedem Hersteller proprietärer Software, genauso wie jedem Buchhändler oder Würstchenverkäufer, wenn der Pech hat.

Vorteil durch Modularität

Proprietäre Softwareanbieter dürften bei Patent-Streitigkeiten in einem wichtigen Punkt sogar deutlich schlechtere Karten haben als Open-Source-Programmierer. Wegen der enormen Modularität von Open Source Software ist es im Regelfall möglich, eine von einem Rechtsstreit betroffene Komponente im Handumdrehen gegen eine andere auszutauschen, und das bei nahezu gleicher Kernfunktionalität.

Suse selbst führt's ja in schöner Regelmäßigkeit vor, wenngleich aus völlig anderen Gründen: Früher Sendmail als Mailserver, heute defaultmäßig Postfix. Bei den Bootloadern gilt das gleiche für Lilo und Grub, bei den CD-Brennprogrammen für Xcdroast und K3B, bei den Scanprogrammen für Xscanimage und Kooka -- und diese Liste ließe sich erheblich verlängern.

Das Schönste dabei: Die alternativen Komponenten existieren bereits und müssen nicht erst programmiert werden. Davon können die Hersteller proprietärer Software nur träumen -- vor allem dann, wenn sie in einem Patentrechtsstreit vor den Kadi gezerrt werden und deshalb Teile ihrer Software vom Markt nehmen müssen.

Gemeinsame Interessen

Und dann wären da noch die Machtverhältnisse. Wer patentrechtlich gegen irgendjemanden in Sachen Linux zu Felde zieht, der legt sich im Handumdrehen fast zwangsläufig auch mit IBM an, denn deren wirtschaftliches Interesse an Linux und Open Source ist ganz beträchtlich. Selbst bei den übrigen Herstellern würde ein Angreifer, der gemeinsame Interessen vieler berührt, in Sachen Allianzenbildung wieder einmal Wunder wirken, wie die Unix-Geschichte lehrt: Weil sich im Jahre 1987 eine Reihe von Unix-Anbietern von AT&T und Sun überfahren fühlte, schlossen sich die "Rebellen" zur "Hamilton Group" zusammen, aus der dann später die OSF wurde.

Mehr Handlungsspielräume durch Open Source

Softwarepatente sind kein spezielles Linux-Problem, wenngleich Open Source fraglos spezifische Angriffspunkte besitzt, die ausführlich genug diskutiert worden sind, und deshalb hier keiner Wiederholung bedürfen. Doch im Münchener Fall dürfte Linux gegenüber proprietärer Software sogar deutlich im Vorteil sein. Open Source verringert hier nicht die Handlungsspielräume der Stadt, sondern erhöht sie.


Eitel Dignatz ist Strategieberater und Inhaber der Münchner Unternehmensberatung Dignatz Consulting.

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